Ein Funke, der überspringt – Leistungszentrum Schwarzer Kasten begeistert Berlin
Standing Ovation und tosender Applaus für unsere Theatergruppe „Leistungszentrum Schwarzen Kasten“ beim Theatertreffen der Jugend in Berlin.
Mit „My Body is a Cage“ verwandelten die Jugendlichen Goethes „Faust I“ in ein mitreißendes, kluges Spiel über unser Bildungssystem, voller Witz, Tempo und überraschender Wendungen, und waren so mit dem Hessischen Schultheaterpreis ausgezeichnet und sogar zu den renommierten Theatertreffen der Jugend nach Berlin eingeladen worden.
Die Woche in Berlin wurde für die Gruppe zu einem Fest der Begegnung: Workshops, inspirierende Gespräche und das Eintauchen in die Welt des Jugendtheaters ließen neue Ideen sprießen. Was bleibt, ist Stolz – auf eine Leistung, die Mut macht und zeigt, wie viel junge Stimmen bewegen können.
Ein besonderer Dank gilt der Leiterin der Gruppe, unserer Theaterpädogogin Andrea Fischer, denn sie lässt alle spüren: Theater kann verändern – und manchmal beginnt der Wandel genau dort, wo junge Menschen ihre Bühne finden.
Und das sagt Berlin:
„Mit packender Spielfreude hat das Ensemble vom Leistungszentrum Schwarzer Kasten der Albert-Einstein-Schule Groß-Bieberau den ersten Teil des ‚Faust I‘, die sogenannte Gelehrtentragödie, als ein kurzweiliges Stück über ein reformbedürftiges Schulsystem inszeniert, das die Absurditäten der literarischen Vorlage genüsslich aufgreift und ausbreitet. … Die mutige Publikumsinteraktion des Ensembles verwandelt die Seitenbühne plötzlich zum Klassenraum, in dem das Publikum durch Wissenstests und Hausaufgabenkontrolle selbst die Rolle der Schulklasse einnimmt. … Mit einem wahren Feuerwerk aus Referenzen auf die an den Vortagen aufgeführten Stücke des TTJ erschaffen die Spielenden eine eigene Festival-Version ihres Stücks, die als große Liebeserklärung an die anderen Ensembles und das Theaterspielen allgemein gelesen werden kann.“
(Farukh Sauerwein, Festivalzeitung TTJ 2025)
Hier die komplette Rezension aus der Festivalzeitung:
Die Geisterwelt ist nicht verschlossen
von Farukh Sauerwein
Zugegeben, ich habe Faust das letzte Mal in der – na klar – Schule gelesen und jenseits
dieser problematischen Love Story wenig vom Text verstanden. Meine Deutschlehrerin war
großer Fan – so groß, dass sie uns einen kompletten Test über diesen merkwürdigen
Erdgeist hat schreiben lassen, den ich dummerweise irgendwie überlesen hatte. Als wir den
Test mit der entsprechenden Note zurückbekamen, lag uns nichts ferner als uns noch weiter
mit den Problemen eines Universalgelehrten befassen zu wollen, der wir ja nun mal
überhaupt nicht waren und auch nie sein würden.
Als ich am Montagabend die Seitenbühne des Berliner Festspielhauses nach dem Stück
„My Body is a Cage“ verlasse, fühle ich mich seltsam versöhnt mit diesem merkwürdigen
Text, seinen Pudeln und Teufeln, ja sogar mit dem Erdgeist. Mit packender Spielfreude hat
das Ensemble vom Leistungszentrum Schwarzer Kasten der Albert-Einstein-Schule Groß-
Bieberau den ersten Teil des „Faust I“, die sogenannte Gelehrtentragödie, als ein
kurzweiliges Stück über ein reformbedürftiges Schulsystem inszeniert, das die Absurditäten
der literarischen Vorlage genüsslich aufgreift und ausbreitet.
Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust
Die Spielenden erschaffen einen fünfzigminütigen Fiebertraum voller Brüche, Anspielungen
und Blockflöten, der kaum Zeit zum Verschnaufen lässt – oder um sich mit einem Zwicken
zu versichern, ob das gerade alles wirklich passiert. Dabei bleibt der ideenreiche Klamauk
überraschend nah an der literarischen Vorlage. „My Body is a Cage“ will „Faust“ nicht
einfach als ironisch gebrochenes Stück über das gegenwärtige Bildungssystem umdeuten,
sondern nimmt den Text in seiner Grundaussage durchaus ernst und fügt die goethesche
Sprache harmonisch in das Stück ein. Trotz aller Überspitzung folgen wir Faust werktreu
vom Studierzimmer über den Pakt mit dem Teufel bis in die surreale Hexenküche und
werden auf dieser Reise wie nebenbei mit Gedanken zum Schulsystem konfrontiert. Diese
Aktualisierung funktioniert auch deshalb so gut, weil der Fauststoff den Spielenden
erkennbar als Ausgangspunkt für eigene Gedanken und Assoziationen diente, sich die
beiden Ebenenen aber nur aufeinander beziehen, ohne miteinander zu verschmelzen.
Des Pudels Kern
Erscheint es zu Beginn noch verwirrend, wenn die Spielenden plötzlich auf den hessischen
Koalitionsvertrag und die Lebenswelt von Schüler*innen eingehen, ergibt sich nach und
nach die Parallele zwischen Faust (die Schullektüre schlechthin) und Bildungssystem: Beide
befinden sich in einem Stadium der Stagnation (wie es der titelgebende Song treffend zum
Ausdruck bringt) und sehnen sich nach Erneuerung und höheren Zielen. Der Weg zu
dringend nötiger Veränderung scheint mit Mitteln Normalsterblicher kaum noch erreichbar.
Auch der psychoaktive, im technologieoffenen Ofen gebackene Kürbiskuchen mit Zutaten
aus kapitalistischer Ausbeutung verspricht keine Abhilfe, sondern verzögert wirkliche
Lösungen am Ende eher. Die mutige Publikumsinteraktion des Ensembles verwandelt die
Seitenbühne plötzlich zum Klassenraum, in dem das Publikum durch Wissenstests und
Hausaufgabenkontrolle selbst die Rolle der Schulklasse einnimmt. Das Schulsystem betrifft
uns in dem Moment alle, indem uns das Ensemble geschickt zu Kompliz*innen macht.
Verweile doch! Du bist so schön!Ständig gibt es auf der Bühne liebevolle Details zu entdecken. Die innere und äußere
Zerrissenheit in der Kombination aus unsäglichen Karohemden, bunten Socken und
neonpinken Sonnenbrillen. Das chorische Sprechen wie aus einem Munde, denn schließlich
sind ja alle Spielenden irgendwie Faust. Wenn sie es doch mal nicht sind, dann, weil sie so
geschmeidig auf Mephistos Seite gewechselt sind, dass man schon fast an Zauberei denken
könnte. Die Spielenden wälzen sich auf der Bühne, verrenken sich hinter ominösen
schwarzen Kästen, telefonieren über Möbelteile mit dem Erdgeist und springen auf Besen
durch die Hexenküche – alles grotesk überspitzt und trotzdem mit einer spürbaren
Leidenschaft für das, was da gerade auf der Bühne passiert.
Und bin so klug als wie zuvor(?)
Mit einem wahren Feuerwerk aus Referenzen auf die an den Vortagen aufgeführten Stücke
des TTJ erschaffen die Spielenden eine eigene Festival-Version ihre Stücks, die als große
Liebeserklärung an die anderen Ensembles und das Theaterspielen allgemein gelesen
werden kann. Während diese Referenzen nicht ausschlaggebend für das Verständnis des
Geschehens auf der Bühne sind, sollte man zumindest in Grundzügen mit „Faust I“ vertraut
sein. Wer diese vorausgesetzte Textkenntnis nicht (mehr) mitbringt, kann sich im roten
Faden des Stücks ähnlich verheddern wie es die Spielenden zwischenzeitlich wortwörtlich
auf der Bühne tun. Die Grundaussage des Stücks sollte sich jedoch auch Goethe-
Verweigerer*innen erschließen: Wenn das Ende des Stücks in einer Art Endlosschleife die
Anfangsszene zitiert, stellt es damit nicht nur Fausts Streben nach übernatürlicher
Vervollkommnung in Frage, sondern auch die Reformbemühungen am Schulsystem, die
sich lieber mit Blockflötenunterricht als mit Lehrer*innenmangel und maroden Schulen
auseinandersetzen
(S.Klingler)